Neulich in einem Workshop über Stress. Wir sprachen über Stresssymptome, Stressursachen und Wege zur Stressregulation. Natürlich lag der Fokus zunächst auf dem, was wir alle vermeiden wollen: zu viel Druck, Überforderung, ständige Anspannung. Dann meldete sich eine Teilnehmerin und fragte: „Gibt es nicht auch positiven Stress?“
Im ersten Moment war ich überrascht – weil Stress in unserer Sprache fast immer negativ besetzt ist. Aber ja, natürlich gibt es ihn. Und er ist sogar essenziell, wenn wir wachsen, gestalten und Verantwortung übernehmen wollen.
Was ist positiver Stress?
Stress ist zunächst nichts anderes als Aktivierung. Unser Körper schaltet in einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit:
– Der Puls steigt.
– Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet.
– Das Gehirn fokussiert sich.
Diese physiologische Reaktion ist uralt – sie bereitet uns darauf vor, zu handeln.
In moderner Sprache: sie bringt uns in die Energie, die wir brauchen, um Projekte umzusetzen, Präsentationen zu halten, Entscheidungen zu treffen oder kreative Lösungen zu finden.
Ohne diese Aktivierung gäbe es keine Innovation, keine Bewegung, kein Engagement.
Kurz gesagt: Stress an sich ist nicht das Problem. Erst dann, wenn er zu lange anhält oder nicht ausgeglichen wird, kippt das System.
Wann aus positivem Stress negativer wird
Positiver Stress – auch Eustress genannt – motiviert uns, lässt uns wachsen und sorgt dafür, dass wir Leistung abrufen können. Wir kennen ihn als die Energie, die uns vor einem wichtigen Termin fokussiert, uns beim Sport antreibt oder in einem spannenden Projekt trägt. Negativer Stress – Distress – entsteht, wenn dieser Aktivierungszustand dauerhaft anhält.
Wenn der Körper keine Chance mehr hat, in den Entspannungsmodus zu wechseln.
Das passiert oft schleichend:
- Zwischen zwei Meetings bleibt keine echte Pause.
- Nach der Arbeit werden noch Mails gecheckt.
- Selbst die „Erholung“ am Abend ist gefüllt mit Informationen, Nachrichten oder Podcasts.
Das Gehirn bleibt im Aktivmodus.Das vegetative Nervensystem kann nicht herunterregeln – und der Körper bleibt in ständiger Alarmbereitschaft. Langfristig führt das zu Erschöpfung, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen – und in vielen Fällen zu einem Zustand chronischer Überforderung.
Die Kunst der Selbstregulation
Die eigentliche Kunst liegt also darin, bewusst zu regulieren:
Energie aufbauen – und wieder loslassen. Aktivieren – und regenerieren.
Das klingt einfach, ist aber in einem vollen Arbeitsalltag oft herausfordernd. Achtsamkeitspraxis bietet hier einen wirksamen Weg: Sie hilft, wahrzunehmen, wann der Körper in Aktivierung ist, und bewusst gegenzusteuern. Das kann durch kleine Mikro-Pausen geschehen – ein Moment des Durchatmens zwischen zwei Aufgaben. Oder durch das bewusste Wahrnehmen des Körpers, des Atems oder der Umgebung. Solche Momente der Präsenz signalisieren dem Nervensystem: Es ist sicher, du darfst loslassen.
Achtsamkeit stärkt Resilienz
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis die Fähigkeit zur Selbstregulation stärkt. Der präfrontale Cortex – zuständig für bewusste Steuerung und emotionale Stabilität – wird aktiver, während Stresszentren wie die Amygdala weniger reaktiv werden.
Das Ergebnis:
- Wir können Stressreize besser einordnen.
- Wir bleiben klarer in der Wahrnehmung.
- Wir reagieren bewusster, statt impulsiv oder getrieben.
Diese Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, ist die Basis von Resilienz – also der inneren Widerstandskraft, die uns befähigt, auch unter Druck stabil zu bleiben.
Zwischen Leistung und Regeneration
Gerade Führungskräfte und Mitarbeitende in verantwortungsvollen Rollen kennen das Dilemma:
Dauerhaft hoher Einsatz wird erwartet – und oft auch von einem selbst gefordert. Doch wer ständig „on“ ist, verliert langfristig an Klarheit, Kreativität und innerer Ruhe. Es geht also nicht darum, Stress zu vermeiden, sondern Balance zu kultivieren: zwischen Anspannung und Entspannung, Aktivität und Ruhe, Tun und Sein. Achtsamkeit kann hier ein entscheidender Hebel sein – nicht als Entspannungstechnik, sondern als Bewusstseinsübung. Sie hilft, zu erkennen, wann das System überfordert ist, und ermöglicht, rechtzeitig gegenzusteuern.
Eine Einladung
Vielleicht magst du dir heute kurz Zeit nehmen und dich fragen:
Wie sorge ich im (Arbeits-)Alltag für Ausgleich?
Wann aktiviere ich – und wann regeneriere ich wirklich?
Wenn du lernen möchtest, diese Balance bewusster zu gestalten, begleite ich dich gerne in meinen MBSR-Kursen oder Stressbewältigungstrainings
Dort lernst du, wie du dein Nervensystem regulieren, Stress verstehen und mit mehr Leichtigkeit und Präsenz durch fordernde Zeiten gehen kannst.
