Im Anfänger-Geist gibt es viele Möglichkeiten.→
Im Geist des Experten nur wenige.
– Shunryu Suzuki Roshi
Dieses Zitat liebe ich seit Jahren. Und es ist für mich ein Kernprinzip achtsamer, moderner Führung – gerade in Zeiten, in denen viele Systeme autokratischer werden, radikale Meinungen an Sichtbarkeit gewinnen und Polarisierung zunimmt.
Egal in welchem Kontext ich mich bewege, es gibt zu jedem Thema eine sofortige Bewertung „Das ist gut“, „Das ist schlecht“, „Das ist langweilig“, „das ist toll“ u.ä. Manchmal wird es laut geäußert, manchmal ist es nur die innere Stimme, die es ausspricht, leise, aber sofort hörbar. So gut wie nie gibt es das „ ich lasse es mal auf mich wirken und schaue mal“.
Kennst du das?
Und was bedeutet das konkret für Führungskräfte, HR und Gesundheitsmanager, die in Organisationen wirken – oft unter enormem Druck, mit hohen Erwartungen und sehr wenig Zeit?
Wir bewerten in Organisationen zu schnell
Wenn ich Führungskräfte trainiere, die achtsamkeitsbasiertes Stressmanagement, Achtsamkeit oder MBSR ausprobieren, passiert fast immer das Gleiche:
Bewertung ist sofort da.
„Diese Idee ist unrealistisch.“
„Diese Vorgehensweise ist zu langsam.“
„Dieser Vorschlag hat keine Chance.“
Unser Gehirn liebt schnelle Kategorisierung – das spart Energie. Es gibt Sicherheit (zumindest kurzfristig) und man steht als Experte da.
Aber:
Diese Geschwindigkeit verhindert häufig Innovation, neue Perspektiven, tragfähigere Lösungen.
Was Beginner’s Mind im Business bedeutet
Der „Anfängergeist” (engl. Beginner’s Mind) kommt aus der Achtsamkeit und ist eines der Kernprinzipien im Achtsamkeitstraining (inkl. MBSR – Mindfulness Based Stress Reduction).
Anfängergeist bedeutet:
- mit frischem Blick schauen
- nicht sofort urteilen
- neugierig bleiben
- differenzieren, bevor man bewertet
Nicht „alles ist gleich gut”. Sondern: Ich erlaube mir, vorerst nicht zu wissen.
Für Führung ist das extrem relevant. Denn in einer komplexen Welt wird „Wissen“ immer kurzlebiger. Und dank der Veränderungsgeschwindigkeit gilt vieles von gestern heute nicht.
Wie wäre es, da mal das Nicht-Wissen zu erlauben? Zumindest für einen gewissen Zeitraum?
⇒ Schau gerne auch mal auf meiner MBSR Seite und auf meinen Blogartikel zu “Was ist MBSR?”
Warum Achtsamkeit Stress reduziert
Sofort wissen zu müssen erzeugt Stress, nimmt Perspektiven, reduziert Möglichkeiten und erzeugt damit eine Enge, einen Druck. Achtsamkeit hingegen erzeugt bewusste Präsenz im Nicht-Wissen und öffnet damit den Denk- und Handlungsraum.
Studien aus der stresspsychologischen Forschung zeigen immer wieder: Stress entsteht oft nicht primär durch den äußeren Workload, sondern durch innere Bewertung.
„Ich sollte das schon wissen.“
„Ich darf keine Unsicherheit zeigen.“
In MBSR lernen Menschen genau diesen Punkt:
Wahrnehmen, bevor sie reagieren. Raum schaffen, bevor eine Bewertung entsteht.
Praxisbeispiel aus einem Leadership-Coaching
Ein Beispiel, das ich neulich im Coaching hatte:
Ein Bereichsleiter stand vor der Frage, ob er eine neue Projektstruktur für ein wichtiges strategisches Projekt einführen soll. Er hatte eine klare Meinung: „Das wird niemals funktionieren, dafür sind wir zu langsam.“
Aber anstatt direkt mit dieser Einschätzung in die Meetings zu gehen, haben wir gemeinsam eine Übung gemacht:
2 Minuten stille Beobachtung vor der Entscheidung:
- Was sehe ich konkret?
- Was weiß ich wirklich – und was ist Interpretation?
- Welche Möglichkeiten habe ich noch nicht betrachtet?
Ergebnis:
In dieser kurzen mentalen Pause erkannte er, dass er vor allem aus Angst vor Kritik vorschnell abgewertet hatte. Er hat daraufhin eine Testphase von 3 Wochen vorgeschlagen statt einer endgültigen Entscheidung.
→ Das Team war überrascht, wie viel Raum das geöffnet hat.
→ und die neue Struktur funktioniert heute.
Das ist Beginner’s Mind in der Führungspraxis.
Wie MBSR diese Kompetenz stärkt
MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) ist ein wissenschaftlich fundiertes Achtsamkeitsprogramm, das nicht nur Stresssymptome reguliert – sondern genau diese Haltung kultiviert: Pause vor Bewertung.
In Unternehmen erlebe ich häufig:
Wenn Führungskräfte lernen, innerlich stiller zu werden, entsteht mehr Klarheit, mehr Kreativität und weniger Reaktivität.
Das wirkt nach innen (weniger Stress).
Und nach außen (bessere Entscheidungen, mehr Präsenz).
Reflexionsfragen für diese Woche
Was wäre, wenn du in deinem Alltag öfter nicht sofort wissen müssten?
- Wie wäre es, wenn du eine Frage im Meeting wirklich kurz im Raum stehen läßt?
- Wenn du einen Vorschlag deines Teams nicht gleich kategorisierst in „funktioniert” oder „funktioniert nicht”?
- Wenn du bei Problemen nicht sofort in Lösungsmodus gehst, sondern erst die Fragestellung erkundest?
Das ist nicht „weich“.
Das ist professionelle kognitive Flexibilität.
Und sie ist trainierbar.
Fragen zur Selbstreflexion
Ich lade dich ein, diese Fragen heute einmal mitzunehmen:
- Wo springe ich bei Entscheidungen zu schnell auf „ich weiß es“?
- Welche Bewertungen laufen bei mir eigentlich automatisch?
- Welche Möglichkeiten werden sichtbarer, wenn ich kurz innehalte?
Und Sie werden sehen: Es entsteht Spielraum.
Dieser Spielraum ist ein Stresspuffer.
Achtsamkeit ist Leadership-Haltung
Der Anfänger-Geist ist kein „Alles ist möglich“-Romantizismus.
Er ist eine achtsame Führungshaltung im Umgang mit Unsicherheit.
In Zeiten von Komplexität und Druck brauchen wir weniger Experten-Reflexe – und mehr Forschen. Erproben. Hinsehen.
Das ist Achtsamkeit in Führung.
Das ist Stressreduktion durch Haltung – nicht durch noch eine weitere Methode.
Wenn du als Führungskraft, HR oder Gesundheitsmanager*in neugierig bist, wie Achtsamkeit, Achtsamkeitstraining oder MBSR in deinem Kontext wirken kann:
👉 Lasse uns dazu ins Gespräch kommen.
Ich begleite Teams und Führungskräfte darin, stressfreier, klarer und konstruktiver zu arbeiten – auf Basis von Achtsamkeit und MBSR.
Schau gerne auch mal unter Stressbewältigungstraining.
